Arktischer Frühling im Polareis
Pfeddersheimer Polareisforscher referiert beim Orden der Freunde des Pfeddersheimer Weins e.V.
Man könnte annehmen, dass sich die Gäste im Pfeddersheimer Sängerheim angesichts der hochsommerlichen Temperaturen mit dem „eisigen Thema“ etwas Abkühlung versprochen hätten. Denn der Vorsitzende des Weinordens, Werner Gradinger, konnte im vollbesetzten Sängerheim ca. 160 Gäste, sowie seinen Vorgänger Günter Bleise und selbstverständlich seinen Bruder, einen echten „Pedderschmer Bub“, seines Zeichens Meeresbiologe und Polareisforscher Prof. Dr. Rolf Gradinger, begrüßen. Der Referent ist Autor verschiedener Polareispublikationen, lebt heute in Tromsö (Norwegen) und ist an der dortigen Universität als Professor tätig. Er war Organisator und Teilnehmer an verschiedenen Polarexpeditionen u. a. auf dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern 1“.
Nach dem Grußwort der „Pedderschmer Marktfraa“ Mira überreichte Werner Gradinger dem Referenten das Mikrofon, um die Reise in die wunderbare Welt des „Ewigen Eises“ zu starten.
Die Gäste erfuhren nun im Verlaufe des Nachmittags quasi aus erster Hand viele Details aus der interessanten Tätigkeit des Meeresbiologen und Polareisforschers. Er zeigte traumhafte Bilder von den Eislandschaften in Spitzbergen, über die Tierwelt mit ihren Eisbären, den Polarfüchsen und Rentieren.
Die Teilnehmer lauschten gebannt den Ausführungen des Referenten über seine beiden Forschungsreisen mit dem Expeditionsschiff „Kronprinz Haakon“ mit 35 Wissenschaftlern an Bord, von Mitte Februar bis Mitte März 2022, dann mit einem kleineren Schiff mit 20 Wissenschaftlern von 13 Nationen Ende April bis Mitte Mai 2022, in den Arktischen Ozean nördlich des Polarkreises. Die Zuhörer erfuhren vieles über die technische Ausrüstung der Schiffe, die mit Laboren in „Kalt“ und „Warm“, sowie „Hell“ und „Dunkel“ ausgestattet sind. Auch sind die Schiffe mit Radar und sehr wichtig, mit Suchscheinwerfern ausgerüstet. Die zum Teil sehr harte Arbeit erfolgt im 24-Stunden-Schichtbetrieb (Tagesschicht von 6-18 Uhr), wobei stets drei Tage auf den Eisschollen gearbeitet wird, nachts mit Suchscheinwerfern, immer auf der Hut vor Eisbären die nicht näher als einen Kilometer an die Arbeitsstellen herankommen dürfen. Zuvor wird die Dicke der Eisscholle gemessen, erreicht diese ca. einen Meter, können die Forscher nach einem Sicherheitscheck mit dem Aufbau der Eisstation für die Messungen und Gewinnung von Proben beginnen, die in den Laboren ausgewertet werden. Diese Arbeiten sind nicht zuletzt infolge der hochwertigen technischen Ausrüstung sehr kostenintensiv, für eine Sekunde Arbeitszeit bilanziert der Referent Kosten in Höhe von einem Euro.
Bei einer Außentemperatur von tiefer als minus 37 – 35 Grad Celsius sind Außenarbeiten nicht mehr möglich. Für eine aufschlussreiche Expertise bezüglich der Population der Flora und Fauna in der Arktischen See waren die Wissenschaftler mit ihrer ersten Reise etwas zu früh, mehr Erfolg hatten sie mit der zweiten Reise im Mai. Der Referent bescheinigte ein exorbitantes Wachstum an Algen (120 Millionen Mikroalgen in einem Liter Meerwasser). Die Tiere am Meeresboden, wie z.B. Krebse und Quallen, müssen die kurze Zeit des Arktischen Frühlings nutzen, um sich fortzupflanzen. Die Anpassung der Flora und Fauna bewegt sich in einem höchst sensiblen Bereich. Eine Temperaturänderung um nur 1-2 Grad hat daher erhebliche Auswirkungen. Auch erfuhren die Teilnehmer anhand der Bilder die Auswirkungen auf die Natur durch die Lichtverhältnisse im Polarkreis, je nach den dortigen beiden Jahreszeiten Polartag und Polarnacht, „Dauerhell“ und „Dauerdunkel“.
Der Referent beendete seinen Vortrag und freute sich sichtlich über die Reaktionen des Publikums und den Applaus, aber auch über den von Werner Gradinger überreichten Gutschein einer Pfeddersheimer Eisdiele.
Mit einem Augenzwinkern forderte er seinen Bruder auf, nicht nur in der Polarregion, sondern auch in der Pfeddersheimer Eisdiele Proben zu nehmen. Dann könne er im nächsten Jahr einen Vergleichsvortrag über die unterschiedlichsten Qualitäten
zwischen Polareis und Pfeddersheimer Eis halten.
Er beendete die Veranstaltung mit einem herzlichen Dankeschön an die Helferinnen und Helfer des Gesangvereins hinter der Theke, aber auch allen übrigen
Protagonisten, die zum Gelingen dieses Events beigetragen hatten.
Peter Behringer