Ordensfest 2023

Das 48. Ordensfest des Weinordens Pfeddersheim thematisiert den Klimawandel und seine Konsequenzen für den Weinbau
Von Peter Behringer
Das Thema des 48. Ordensfestes stand im Kontext des Klimawandels mit seinen Konsequenzen für den Weinbau. Deshalb hat der Weinorden Pfeddersheim einen anerkannten Experten, nämlich den Weinbaufachmann Dr. Edgar Müller, zu diesem Thema eingeladen. Dieser war vier Jahrzehnte lang als Berater am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück im Bereich Weinbau tätig. Für seine Verdienste wurde er mit der Andreas van Recum-Medaille vom Verband Kreuznacher Agrarabsolventen geehrt. Zudem hat es sich der Weinorden zur Aufgabe gemacht, dessen Referat über das vorgenannte Thema mit der Verkostung von Zukunftsweinen aus dem Bereich Piwis- (Pilzwiderstandsfähige Weine) zu ergänzen. Diese Rebsorten weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten auf und ermöglichen eine deutliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Daher sind diese robusten und innovativen Rebsorten eine naheliegende Ergänzung zu herkömmlichen, traditionellen Rebsorten mit intensivem Pflanzenschutz. Andreas Schnürr vom Gundersheimer Weingut Wohlgemuth-Schnürr hat nicht nur diese betreffenden Pionierweine geliefert, er hat auch 8 Weine sowie einen Begrüßungssekt im Rahmen einer Degustation vorgestellt.
Mit einem herzlichen „Vivat Paterna – Vivat Vinum“, dem traditionellen Gruß des Pfeddersheimer Weinordens konnte der Vorsitzende Werner Gradinger über 60 Ordensmitglieder und Gäste, den Pfeddersheimer Winzerborsch Johannes Knab, Ehrenmitglied Felix Zillien, den ehemaligen Vorsitzenden Günter Bleise sowie den Vorsitzenden des Gesangvereins 1845, Bernhard Steinke, der auch für die Technik zuständig war, beim 48. Ordensfest im Sängerheim begrüßen. Ein herzliches Willkommen erging auch an die beiden Referenten des heutigen Abends, Dr. Edgar Müller und Andreas Schnürr. Nach dem Grußwort von Winzerborsch Johannes übernahm Agraingenieur Andreas Schnürr das Mikrofon und referierte über seinen 18 ha – Betrieb als Quereinsteiger ab 1995 – 50 bis 60% seiner Weine sind Piwis – 60 bis 80% Einsparungen von Spritzmitteln gegenüber traditionellem Anbau. Mit seiner langjährigen Erfahrung verfügt das Weingut Wohlgemuth- Schnürr inzwischen deutschlandweit mit über die umfangreichste Expertise im An – und Ausbau dieser neuen und spannenden Rebsorten. Diese Reben vereinen die amerikanischen und asiatischen Rebenmerkmale mit dem Geschmack der europäischen Weine. Dieser Meinung entsprachen sicherlich auch die meisten Teilnehmenden nach der Verkostung eines Begrüßungssektes Carladis Blanc brut sowie dem ersten Probenpaar, je einen 2022er Johanniter und 2022erSauvignac trocken. Der Johanniter, Kind der ersten Piwis Generation riecht intensiv nach reifem grünem Apfel und reifer Zitrone, hat eine leckere mineralische Note und ist dennoch weich, fast cremig im Mund. Die hohe Unempfindlichkeit der Piwis gegenüber Schwarzfäule resultiert auch aus den lockeren Beeren und harten Schalen ihrer Trauben. Der Autor bittet um Verständnis, dass in diesem Bericht nicht die Eigenschaften und Geschmacksaromen sämtlicher nachfolgender Weine aufgeführt werden können.
Gespannt lauschte nun das Publikum den Ausführungen von Dr. Edgar Müller. Anhand von Diagrammen von 1960 bis 2022 erläuterte und erklärte der Referent mit seiner überaus hohen fachlichen Kompetenz dem sehr interessierten Publikum die Problematik, aber auch die Vorteile für den Weinbau im Kontext des Klimawandels. Innerhalb 23 Jahren (von 1965 bis 1987) war der Riesling in 9 Jahren unbefriedigend gereift. Seit 1988 bis heute gab es zwar keine Reifeprobleme mehr, aber dafür andere wie z.B. Botrytis in 2017, 2014, 2013, 2010, 2006 und 2000, z.T. mit massiver Essigfäule (2014, 2023). Auch extreme Trockenheit z. B. in 2003, 2015, 2018, 2019, 2020 und 2022. Der Anbau anspruchsvoller „internationaler“ Sorten ist möglich geworden, wie z. B. Cabernet Sauvignon und Syrah. Die Probleme der niedrigen Mostgewichte, zu hohe Säurewerte, sensorische Unreife, Frühfrostschäden im Herbst sind verschwunden. Der größte Teil des Vegetationsvorsprungs entsteht bereits im Frühjahr, beim Austrieb ca. 1,2 Tage pro Jahrzehnt, beim Blütebeginn ca. 2 Tage pro Jahrzehnt. Im Sommer gibt es keinen weiteren Vorsprung von Blüte bis Reifebeginn. Weiteres Anwachsen des Vorsprungs nach Reifebeginn, Verfrühung der Lese von 2000 bis 2023 ca. 14 Tage, im Vergleich zu 1960 bis 1990. Zur Temperaturentwicklung von 1959 bis 2023 zeigen die Diagramme, dass sich die mittlere Jahrestemperatur im Trend von 9 auf 11 Grad erhöhte. Der Trend jeweils von Juni bis August zeigt zum Beispiel, dass sich von 1959 bis 1982 die Temperatur von 17 auf 18 Grad, aber von 1982 auf 2023 von 18 auf über 20 Grad erhöht hat. Auch die Wasserversorgung spielt beim Weinbau eine große Rolle. Das Fazit des Referenten über die Niederschlagsverhältnisse zeigt auf, dass entgegen verbreiteter Einschätzungen keine ungünstige Entwicklung zu beobachten ist. Aber es gibt eine tendenzielle Abnahme von Landregenereignissen, Zunahme von weniger effizienten Starkregenereignissen sowie eine relativ eindeutige Verlagerung vom Sommer in den Winter mit einem gravierenden Nachteil für Böden mit geringer nutzbaren Feldkapazität (nFk). Die nFk ist der Teil der Feldkapazität, der für die Vegetation verfügbar ist. Lössböden haben den idealen Porenmix! Auch ist diese Verlagerung der Wasserversorgung maßgeblich für die Verlängerung der Vegetationsdauer. Das Problem ist nicht ein Rückgang der Niederschläge, sondern eine Zunahme des Wasserverbrauchs und eine ungünstigere Verteilung. Niederschlagsmengen, die früher ausreichten, reichen zunehmend häufiger nicht mehr. Durch den Klimawandel kommen neue, konkurrierende Anbaugebiete hinzu (Dänemark, England), andere, bisher konkurrierende Anbaugebiete schrumpfen (z.B. Zentralspanien). Auch geht der Klimawandel mit dem Verlust der sensorischen Merkmale einher, einer Annährung deutscher Weine an mediterranen Typen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass der Klimawandel bisher kaum bekannten Betrieben und Lagen den Aufstieg in den Weinolymp ermöglicht hat.
In der nun folgenden Pause wurde ein Tellergericht vom Cateringservice Armauer serviert, dazu einen trockenen Tischwein 2021er Cabertin. Nach der nun folgenden Verkostung zweier Probenpaare (2021er Cabernet Blanc trocken sowie 2022 Muscaris Feingeist) und (2021er Sauvignier gris trocken sowie 2022er Prior trocken), ging der Referent zum zweiten Teil seines Referates über. Wegen der Klimaerwärmung müsste sich doch das Thema „Frostschäden“ erledigt haben, oder? Dass dem nicht so ist erläuterte der Referent anhand von Tabellen und Diagrammen über Frühfröste (Herbstfröste) – und Spätfröste (Frühjahrsfröste) im Kontext der Zeit des Austriebs. Viele potenzielle „sommerliche Gunstlagen“ (Tallagen und ebene Flächen mit fruchtbaren Böden) werden wegen Spätfrostproblematik als Weinbaustandorte auch zukünftig kaum in Frage kommen. Zu den Kernproblemen des Klimawandels zählt
auch die zukünftige Bodenpflege. Die wichtigste Maßnahme zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit besteht darin, den Boden an Ort und Stelle zu halten. Die kompromisslose Ablehnung jeglichen Herbizideinsatzes (derzeit im Weinbau nur Glyphosat) und Bevorzugung mechanischer Bearbeitungsmaßnahmen ist insbesondere auf erosionsgefährdeten Standorten ein Sieg der Ideologie über den Verstand. Nach großem Applaus dankte Werner Gradinger beiden Referenten und verabschiedete diese mit einem Weinpräsent, um dann die Gäste auf anstehende Ehrungen und Aufnahmen von neuen Ordensmitgliedern einzustimmen. In der nun folgenden Zeremonie der Neuaufnahmen stellten sich die 6 Anwärter Monika Bank-Scherner, Dr. Manuela Schäfer, Claus Henning, Volker Pütz, Michael Rohleder sowie Norbert Rudolf persönlich vor, um dann gemeinsam das Ordensgelöbnis zu sprechen. Nach Überreichung der Aufnahmeurkunde, dem Ordenssymbol – einen Weinbecher an einem grün-weiß-roten Band und dem obligatorischen Schlag mit dem Wingertsknorzen durch den Vorsitzenden Werner Gradinger, sind diese nun offiziell in den Weinorden aufgenommen. Mit der Überreichung der Jubiläumsurkunde und einem Weinpräsent wurden folgende Ordensmitglieder geehrt: Volker Schmitt für 30.-jährige und Ulf Henning Schmalz 25.-jährige Mitgliedschaft. Leider konnte nur Ulf Henning Schmalz seine Urkunde persönlich in Empfang nehmen. Weinfreund und Sommelier Thomas Peters stellte den Gästen in seiner kompetenten Art nun das letzte Probepaar zur Verkostung vor: Einen 2021er trockenen Cabernet Cantor Barrique sowie einen 2021er Cabertin trocken, ebenfalls im Barriquefass gereift. Am Schluss der Veranstaltung konnte sich Werner Gradinger nur noch bei allen Gästen, Helfern und Protagonisten, den Verantwortlichen des Gesangvereins 1845 e.V. mit dem Servicepersonal, vor allem aber bei Vera Berdes für die schöne, sehr aufwendige Dekoration, bedanken. Mit Hinweisen auf die nächsten Veranstaltungen wünschte er allen einen guten Nachhauseweg.