50 Jahre Weinorden Pfeddersheim
Das 49. Ordensfest im Kontext der 50-jährigen Geschichte des Weinordens Pfeddersheim  26.10.2024
Von Peter Behringer
Wer könnte besser seine Kompetenz und Erfahrung in einem Referat zum Ausdruck bringen, das die 50-jährige Geschichte des Weinordens widerspiegelt und einen Überblick seit der Gründung bis in die heutige Gegenwart übermittelt, als Ehrenmitglied Felix Zillien, der schon zwei Jahre nach der Gründung des Weinordens in diesen eingetreten war (1976) und ihn entscheidend mitgeprägt hat?
Felix Zillien verfügt nach Gründungsmitglied Willi Löv (1974) und Karl-Heinz Hoffmann (1975) über die längste Ordensmitgliedschaft und ist mit 96 Jahren das älteste Ordensmitglied überhaupt.
Da er aber leider kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen seinen selbst erstellten Vortrag mit PowerPoint-Präsentation nicht halten konnte, hatte sich der Vorsitzende des Weinordens, Werner Gradinger, dieser Aufgabe angenommen.
Nach einer Gedenkminute für das jüngst verstorbene Ordensmitglied Julius Beck, konnte Werner Gradinger in dem von Vera Berdes mit ihrem Helferteam festlich geschmückten und dekorierten Saal des Gesangvereins 1845 Pfeddersheim, fast 90 Ordensmitglieder und Gäste, Jubilare und Neumitglieder, mit dem traditionellen Gruß „Vivat Paterna-Vivat Vinum“, begrüßen. Außerdem das Pfeddersheimer Traditionspaar Tabea und Johannes, seinen Vorgänger im Amt des Vorsitzenden, Günter Bleise, Karl-Heinz Hoffmann, der an diesem Abend mit 49 Mitgliedsjahren ein Weinfreund mit der längsten Mitgliedschaft im Weinorden war, die ehemaligen langjährigen Vorstandsmitglieder Geo Streuber und Reinhard Bartel, den Vorsitzenden des Gesangvereins 1845 Pfeddersheim und Ordensmitglied Bernhard Steinke, der sich wie immer zuverlässig für den guten Ton und die weitere Technik verantwortlich zeichnete und den Vertreter der IG Pfeddersheimer Winzer, Stephan Pflüger, der ebenfalls mit dem Traditionspaar Grußworte vortrug.
Die Gäste erlebten nun einen Rückblick seit der urkundlichen Ersterwähnung Pfeddersheims am 25. Mai 754. Diese ist im Wormser Stadtarchiv aufbewahrt und in altlateinischer Schrift ist zu lesen, dass der Erzbischof Chrodegang von Metz der Abtei Gorze bei Metz nicht nur die Kirche von Pfeddersheim verlieh, sondern darüber hinaus auch den Zehnten des Pfeddersheimer Weins! Der Urkundentext sowie auch viele weitere Bilder und Dokumente wurden per Beamer eingeblendet, sodass das Publikum die einzelnen Abschnitte des Referats auch visuell verfolgen konnten.
Nun folgte ein zeitlich großer Sprung von über 1200 Jahren, also bis hinein in das Jahr 1960, als hier in Pfeddersheim die Interessengemeinschaft Pfeddersheimer Winzer gegründet wurde.
Zukunftsorientiert schlossen sich im Frühjahr 1960 neun Pfeddersheimer Winzer zu einer Interessengemeinschaft zusammen, um den örtlichen Weinbau zu fördern. Deshalb verliehen die Vorstandsmitglieder kurze Zeit später ihrem Zusammenschluss durch den erweiterten Namen „Interessengemeinschaft Pfeddersheimer Winzer zur Förderung des Qualitätsweinbaues“ die gebotene weinwirtschaftliche Zukunfts-Ausrichtung. Diese örtliche Interessengemeinschaft, die nach wenigen Jahren auf 17 Winzer anstieg, zählt zu den ersten
Winzerzusammenschlüssen im südlichen Wonnegau und darüber hinaus in ganz Rheinhessen, die auch heute noch im Geiste der Gründerväter existiert.
Eine der Hauptaufgaben nach der Satzung der damals jungen Vereinigung bestand in der Werbung für den Pfeddersheimer Wein. Diesem Zweck dienten vor allem der ins Leben gerufene „Weinbrunnen“ während der Weinwerbewoche, der „Paternuskeller“ beim Pfeddersheimer Markt, ein Verkaufsstand im Weinprobierzelt beim Wormser Backfischfest und die Aufstellung von Wein-Hinweisschildern an den Ortseingängen von Pfeddersheim.
Ein großes Anliegen der IG-Gründungsväter – insbesondere des Vorsitzenden Adolf Knab – war nicht zuletzt immer wieder die Erinnerung an den althergebrachten Pfeddersheimer Rieslinganbau. Deshalb wurde die Öffentlichkeit bei den Werbeaktionen auch stets auf die alte Rieslingurkunde vom 11. November 1511 aufmerksam gemacht, die darauf hinweist, dass in der alten Flurlage „Im Fohndel“ schon vor über 500 Jahren eine geschlossene Rieslinganlage stand, die in der Urkunde mit „einem halben Morgen Rißling-Wingert“ bezeichnet worden ist. Auch heute befinden sich dort immer noch Weinberge der Rebsorte Riesling. Vor diesem Hintergrund kann vielleicht davon ausgegangen werden, dass in Pfeddersheim die älteste, noch existierende Rieslinglage Deutschlands existiert!
Gänzlich neue Ideen führten in der IG-Pfeddersheimer Winzer im Frühjahr 1974 – also vor inzwischen 50 Jahren – zur Gründung des „Ordens der Freunde des Pfeddersheimer Weins“. Diese etwas lange Namensgebung wurde vor einiger Zeit auf „Weinorden Pfeddersheim“ gekürzt, weil in der Zwischenzeit viele Mitglieder außerhalb von Pfeddersheim gewonnen werden konnten.
Bei der Ordensgründung am 26. Mai 1974 war vor allem in der IG-Pfeddersheimer Winzer – Werner Egelhof – der geistige Ideenträger, der damals weitblickend erkannte, dass neben der allgemeinen örtlichen Förderung und Pflege des Pfeddersheimer Weins eine Institution wichtig ist, die über die Ortsgrenzen hinaus Beiträge dazu leistet, die dem örtlichen Weinbau und seiner Kultur überregionale Aufmerksamkeit und Beachtung widmet. Diese Zielsetzungen gehören seit inzwischen 50 Jahren zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Pfeddersheimer Weinordens.
Die Gründung des Weinordens Pfeddersheim vor 50 Jahren war allerdings nicht einfach bzw. reibungslos. Denn es gab erhebliche Probleme mit der „Weinbruderschaft Rheinhessen zu Katharinen in Oppenheim“, die im Oktober 1970 gegründet worden war und deren Vorstand bzw. Bruderrat juristische Einwände gegen die Ordensgründung erhob. In späteren Jahren kam es zur friedlichen Aussöhnung mit der Weinbruderschaft in Oppenheim. Darüber hinaus erhielt der Weinorden auch weit überregional die gleiche Rangstelle mit den Weinbruderschaften: So wurde er im Oktober 2012 in die „Gemeinschaft deutsch-sprachiger Weinbruderschaften“ aufgenommen, der außer etlichen Weinbruderschaften auch viele Weinfreunde in allgemeiner Vereinsform angehören.
Dank der zeitnah einsetzenden Werbungserfolge vonseiten der „IG Pfeddersheimer Winzer“ für den neu gegründeten Weinorden konnten schon im Gründungsjahr 1974 die ersten Ordensmitglieder geworben und beim Weinbrunnenfest am 26. Mai 1974 offiziell inthronisiert werden. Zur Erinnerung nun deren Namen in alphabetischer Reihenfolge:
Albert Cappel aus Offenbach geb. in Pfeddersheim, Willi Dettweiler, Jakob Knab, Willi Kuchen, Willi Löv, das einzige von diesem Aufnahmejahr noch lebende Ordensmitglied, Alfred Pointner, Heinrich Reifenberg, Günter Schöneberger sowie Karl-Hermann Tiemann.
Schon seit 50 Jahren müssen so genannte Weinpaten für die Aufnahme neuer Mitglieder Verantwortung übernehmen und dabei zugleich bestätigen, dass die Kandidaten/innen die Voraussetzungen der Satzungsziele erfüllen. Symbol des Weinordens war und ist ein kleiner Weinbecher, der an einem Band mit den Farben grün-weiß-rot bei allen Weinordensveranstaltungen zu tragen ist; – grün steht für das Grün des Rebenblattes sowie weiß und rot für die Farben des Weiß- und Rotweines!
Bis heute werden die neu aufzunehmenden Ordensmitglieder mit einem Schulterschlag durch einen sehr alten Rebstock, „Wingertzsknorzen“ genannt, auf die Ordensziele vereidigt. Das traditionsvolle Ordenslied nach der Melodie „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven und nach dem Text vom jüngst verstorbenen Ordensmitglied Julius Beck, wird gemeinsam gesungen und krönt die Inthronisierung würdig ab! Nach einem Vorstandsbeschluss vom Herbst 2008 werden auch Frauen, also Weinfreundinnen in den Weinorden aufgenommen, obwohl dies nach der Satzung schon von Beginn an möglich gewesen wäre. Der Weinorden wird seit einem halben Jahrhundert von vielen eifrigen Mitgliedern getragen, die sich satzungsgemäß alle zwei Jahre auf Wahlen des jeweiligen Vorstandes verständigen. So wurden im nachfolgenden Wechsel die bisherigen Vorsitzenden gewählt bzw. wiedergewählt: Heinrich Reifenberg (1974-1984), Günter Schöneberger (1984-1988), Gerhard Schick (1988-2004), Hermann Merck (2004-2012), Günter Bleise (2012-2020), Werner Gradinger (ab 2020).
In der Anfangszeit 1974 bis 2013 war im Vorstand ein Ehrenamt unter dem Namen „Paternikus“ vertreten. Dieser Paternikus war zunächst Heinrich Reifenberg, der bei offiziellen Ordens-Veranstaltungen und sonstigen vielfachen Anlässen die Funktion eines „Sprechers“ ausgeübt hat. Der Name „Paternikus“ war von den Gründungsvätern des Weinordens aus der ersten urkundlichen Erwähnung von Pfeddersheim anno 754 abgeleitet bzw. entnommen worden. Nach Heinrich Reifenberg übernahm Günter Schöneberger das Ehrenamt des Paternikus bis zu seinem Tod im Jahr 2013. Danach beschloss der Vorstand im Rahmen einer Mitgliederversammlung, von einer weiteren Ernennung bzw. Verleihung des Ehrenamtes Paternikus abzusehen. In der Satzung des Weinordens sind seit 50 Jahren die Vereinsziele dargestellt und für jedes Mitglied richtungweisend vorgegeben, nämlich die Weinkultur in jeder Form zu erhalten und u.a. das Wissen seiner Mitglieder um die Weinkultur, den Wein und den Weinanbau, durch örtliche und überörtliche Veranstaltungen und Fachexkursionen zu erweitern.
Vor diesem Hintergrund wurden-zur Wahrnehmung dieser Ziele im Laufe der Geschichte viele jährliche überörtliche Besuche in andere Weinanbaugebiete, auch weit über Rheinhessen hinaus, durchgeführt. Bis in jüngste Vergangenheit sind 41 Fahrten unternommen worden und auch außerhalb von deutschen Weinanbaugebieten hinaus in Nachbarländer wie die Luxemburger Weinstraße, Elsässer Weinstraße, Südtirol, Österreich, Lothringen, Italien und Frankreich (Auxerre). Von Tagesfahrten in die näheren Weinanbaugebiete bis zu mehrtägigen Reisen verteilten sich diese Ordensfahrten.
Sehr gut besucht wurden auch die Veranstaltungsprogramme des Weinordens wie z.B. „Ein Weingut stellt sich vor“, „Wein und Kultur“ mit Besuch von kulturellen und historischen Denkmälern, Bauwerken und Kulturschätzen, Erdteilweinproben, Weinkollegs sowie die herausragenden Veranstaltungen „Arktische Impressionen“ mit Prof. Dr. Rolf Gradinger, nicht zu vergessen interessante Themen bei bisherigen Ordensfesten wie z.B. „Luther und der Wein“, „Wormser Konkordat“ und viele mehr.
Mit der Stiftung einer Gedenktafel, angebracht am Hausanwesen Paternusstr. 32, hat sich der Weinorden für die Würdigung des Rebenzüchters Georg Scheu eingesetzt, der die im Jahr 1916 gegründete Rebenzuchtstation hier in Pfeddersheim über 20 Jahre geleitet hat.
Gemäß dem diesjährigen Thema des Ordensfestes wurden nur Weine von ortsansässigen Weingütern, oder aus Nachbarorten mit Anbauflächen in der Pfeddersheimer Gemarkung berücksichtigt.
Folgende Weine wurden von einzelnen Vorstandsmitgliedern vorgestellt: 2022er Cuvée Rosé trocken-Wgt Feth, 2023er Rosé trocken-Wgt Hinter der Kirche, 2022er Frühburgunder trocken und Tischwein 2023er Riesling feinherb-Wgt Goldschmidt, 2022er Cuvée Due trocken-Weinschmiede D. Wendel, 2022er Prior trocken-Wgt Neumühle-Prior, 2019er „LiveLine“ Spätburgunder trocken-Wgt Pflüger-Umstadt, 2020er Judith´s Riesling trocken-Wgt J. & K. Wendel, 2023er Riesling 1511 trocken-Wgt Pfannebecker, 2023er Pinot Blanc trocken-Wgt Ihrig, 2022er Chardonnay trocken-Wgt Liess-Wenzel, 2023er Bacchus Kabinett feinherb-Wgt M. Walter, 2022er Kanzler Spätlese-Wgt Götz. Der Begrüßungssekt, ein Rosé Pinot brut stammt aus dem Wgt Keller.
Das an die Zeit der Gründung des Weinordens angelehnte 3-Gang Menü wurde vom „Klausenberg-Catering“ geliefert: Russisch Ei, Kartoffel-und Fleischsalat, Rinderroulade, Knödel, Rotkraut und zum Nachtisch „Armer Ritter“.
Nach dem Essen lobte Ortsvorsteher Jens Thill den Weinordens bezüglich seines kulturellen Beitrages für Pfeddersheim und darüber hinaus, er zeigte sich beeindruckt, was bisher schon alles dafür geleistet wurde.
In der nun folgenden Zeremonie der Neuaufnahmen stellten sich Elke Barwich und Klaus Ebert persönlich vor, um dann gemeinsam das Ordensgelöbnis zu sprechen. Nach Überreichung der Aufnahmeurkunde, dem Ordenssymbol – einen Weinbecher an einem grün-weiß-roten Band und dem obligatorischen Schlag mit dem Wingertsknorzen durch den Vorsitzenden Werner Gradinger, sind diese nun offiziell in den Weinorden aufgenommen. Mit der Überreichung der Jubiläumsurkunde und einem Weinpräsent wurden folgende Ordensmitglieder geehrt: Für 50 Jahre Mitgliedschaft Willi Löv, 45 Jahre Willi Eller, 40 Jahre Dr. Klaus de Haas, 35 Jahre Friedhelm Flögel, 25 Jahre Volker Kokert und Hans-Eckhard Wendel. Leider konnten Friedhelm Flögel und Willi Löw ihre Urkunden nicht persönlich in Empfang nehmen.
Nach dem gemeinsamen Singen des Ordensliedes konnte sich Werner Gradinger nur noch bei allen Gästen, Helfern und Protagonisten, den Verantwortlichen des Gesangvereins 1845 Pfeddersheim mit dem Servicepersonal, vor allem aber bei Vera Berdes für die stilvolle, sehr aufwendige Dekoration, herzlich bedanken. Mit Hinweisen auf die nächsten Veranstaltungen wünschte er allen einen guten Nachhauseweg.